Grußworte


14.04.2011

Grußwort Kurt Machens, Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim

Hildesheim schlägt am 9. September 2011 ein neues Kapitel im „Projekt Lesezeichen“ auf, für das ich gerne erneut die Schirmherrschaft übernehme. An prominenten Stellen werden wieder für sechs Monate monumentale „Lesezeichen“ in Form von Gedichtbannern platziert sein. Sie sollen jedermann mit Poesie in Kontakt bringen und Literatur in unserer Kulturstadt täglich erlebbar machen.

Die Popularität des Projektes im vergangenen Jahr hat den Forum Literaturbüro e.V. dazu ermuntert, die Anzahl der Banner sogar von 20 auf 44 mehr als zu verdoppeln und noch mehr Plätze in den dichterischen Raum einzubeziehen. Noch unbekannte junge Poeten sowie nationale und internationale Größen des literarischen Lebens werden auf diese Weise den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Hildesheim Ausschnitte aus ihrer künstlerischen Feder präsentieren. Ich freue mich besonders, dass sich der Schriftsteller Günter Grass mit zwei Gedichten in das Projekt einbringt und so seine Anerkennung für die Hildesheimer Aktion ausdrückt.

Ob abstrakte, beschwingte oder nachdenkliche Zeilen, Gedichte in einer ungewohnten Atmosphäre können verschiedene Effekte auf den Leser haben. Es geht dabei auch darum, sich einen Moment Zeit zu nehmen und die Worte wirken zu lassen. Und vielleicht regt diese „Raum-Gedicht-Symbiose“ den einen oder anderen Passanten an, selbst kreativ zu werden und sich mit der Dichtkunst zu beschäftigen.

Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Forum-Literaturbüro e.V. werden auch wieder die schönsten gesammelten Gedichte von Kindern in sämtlichen Bussen des Stadtverkehrs zu lesen sein. Durch die gute Zusammenarbeit des Vereins mit der Stadtverkehr Hildesheim GmbH wird zudem ein Lese-Bus für Kinder auf Tour geschickt, in dem junge Dichter an Lyrik heran geführt werden. Ich bin sicher, dass sich die Bürgerinnen, Bürger und Gäste unserer Stadt auch in diesem Jahr von der Poesie verzaubern lassen und gratuliere dem Verein Forum-Literaturbüro ganz herzlich zu seinem Jubiläum.


Mit freundlichen Grüßen

Kurt Machens
Oberbürgermeister









Grußwort Helmut Aßmann, Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt


Nichts als Worte

Diejenigen, die die großen Kulturen dieser Welt geprägt haben, hatten nichts als Worte zur Verfügung. Jesus, Buddha, Konfuzius, Lao-Tse, Sokrates, Zarathustra. Ohne Fernsehen, Zeitung oder Internet. Nur die Stimme, nur die Worte, nur die Rede. Und die Vorstellungen, die wir uns von ihnen machen, erinnern in erster Linie nicht an ihre Gesichter, sondern an ihre Worte. Bis heute leben wir von ihnen. Eine wichtige Feststellung ist das. Die Übermacht der Bilder in unserer medialen Zivilisation kann nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Worte sind, die uns in der Tiefe erreichen.

„Ich bin ein Berliner“ – dieser kleine Satz aus dem Munde von J.F.Kennedy reichte aus, um dem bedrängten Berlin Hoffnung und Stabilität zu geben, bis 1989. Es waren die leibhaftigen, menschlichen Worte, gesprochen von einem wirklichen Menschen und einer echten Stimme, die diesen Ausschlag gaben. Der Satz war keine Floskel, auch wenn sein unmittelbar genommener Inhalt geradezu unsinnig ist, sondern reine politische Energie, geschichtlicher Starkstrom sozusagen.

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen“ – so die trotzigen, auch ein wenig hilflosen Worte des Augustinermönchs Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms 1521, die das Ende des Mittelalters besiegelten: die Weigerung des einzelnen Gewissens, sich in die Vorgaben der Tradition zu fügen. Worte, nicht mehr, Geschichtskräfte, nicht weniger.

„Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ predigte Jesus Christus seinen Jüngern auf dem Berg. Bis heute leuchten Menschen auf, denen diese Worte das Herz berühren und die Seele öffnen. Worte, die seit 2000 Jahren die Geschichte durchpflügen und die Saat des Ewigen ausstreuen.

Nichts als Worte. In ihnen aber die ganze Welt. Glücklich der, der Worte zur Verfügung hat, wenn es darauf ankommt. Gesegnet die, auf deren Wort man etwas geben kann. Beneidenswert all diejenigen, die in den Worten nicht nur die Information verstauen, sondern sich zu erkennen geben.

Es kommt auf das Wort an, nach wie vor. Tausend Bilder, Blumen, Geschenke und Augenblicke ersetzen nicht das eine „Ja“, mit dem aus einem Gefühl ein Versprechen wird. Erst das kleine Wort erhebt die Fakten zu einer Gestalt, macht den Zufall zum Geschenk, verwandelt die Materie in Schöpfung.

Es lohnt zu reden, zu schreiben, zu singen. Etwas Göttliches wohnt darin, das in uns leben will.


Helmut Aßmann










Eröffnungsrede von Jo Köhler, 09.09.2011


Die wesentlichen Dinge des Lebens sind unfassbar - unsagbar, gäbe es da nicht die Kunst, die Musik, die Poesie. Und Poesie kann überall sein… nicht nur in einem Gedicht, aber auch in einem Gedicht. Und Gedichte können trösten und besänftigen, aufrütteln und Mut machen. Ein Gedicht kann einen Tag retten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde der Literatur und des literarischen Lebens in Hildesheim, herzlich willkommen zur Eröffnung der Lesezeichen 2011!

Gehe ich zum Bahnhof, stoße ich in der Eingangshalle auf ein Gedicht von Ursula Lüthe, komme ich an der Citykirche vorbei, prangt hoch am Turm wie „eingemeißelt“ ein Wort von Ingo Cesaro, schreite ich durch die Judenstraße, springt mir von der Sparkasse ein ziemlich langer Text von Jean-Claude Juncker „Die Kunst der Freiheit“ ins Auge, wandere ich die Fußgängerzone hinauf, treffe ich am Zuckerhut auf „Hörensagen“ von Günter Grass und nur eine Ecke weiter auf das nächste und übernächste...

Und das Beste: die Gedichte laufen einem nicht davon, sie sind auch morgen und übermorgen noch da und bleiben, jedes an seinem Ort in den nächsten 6 Monaten. Wozu diese Lyrik auf den Straßen und Plätzen in Hildesheim? Gibt es in Zeiten wie diesen nicht andere - nützlichere Dinge?

Wer nur richtig denkt, so ist man überzeugt, sieht klar die Wirklichkeit vor Augen… er erfasst die Tatsachen und Gesetze, die dort gelten… und geht davon aus, dass alle Dinge einer Logik entspringen, die man errechnen kann.

Sobald man aber etwas tun will, nicht nur weil es nützlich, sondern weil es schön und sinnlich ist, die eigene Leidenschaft und Sehnsucht weckt, beginnt man plötzlich mit ganz anderen Mitteln zu denken und zu schauen. Man lässt sich auf Fragen ein, auf die es keine (rationale) Antwort gibt.

Man geht mitten hinein in die Zone der Rätsel. Man entschließt sich, das heißt doch, man entriegelt… man öffnet sich. Man sucht eine Wahrheit jenseits aller Logik, die man nicht erklären, aber die einen trotzdem berühren kann.

Genauso ist es beim Lesen oder Auflesen eines Gedichtes, das sich mitten auf der Straße einem plötzlich in den Weg stellt.

Wobei das wichtigste an der Lyrik gar nicht das ist, was uns der Dichter damit sagen will, sondern vielmehr das ist, was sich in unserer Phantasie erst herausbildet, wenn wir die Zeilen eines Gedichtes vergegenwärtigen. Diese Bilder kreisen dann wie Elektronenschalen um einen festen Kern, den man zwar nicht sehen, aber spüren kann. In diesem Kern voll schöpferischer Kraft steckt die Klugheit der Sinne, die Weisheit der Seele, die sich in der Poesie ausdrückt.

Mit den 44 Lesezeichen holen wir die Gedichte zwischen verstaubten Buchdeckeln hervor und setzen sie ins Freie, ins Offene - mitten in der Stadt.

Ich möchte hier all den Hütern der Orte (Kirchen, Bibliotheken, Kaufhäusern und Verkehrsbetrieben) danken - es sind immerhin 22 verschiedene Einrichtungen und deren verantwortliche Menschen, die hier in hervorragender Weise mit uns kooperiert und die Montage der Gedichte an den Gebäuden unterstützt haben.

Bei unserem Bemühen die Literatur zu den Menschen zu bringen, sind im Laufe der Jahre viele solcher Projekte entstanden: darunter auch völlig neue und einzigartige Veranstaltungsformate wie der Internationale Lyrik-Park auf dem Marienfriedhof und nun eben auch die Hildesheimer Lesezeichen im Zentrum der Stadt.

Danken möchte ich den Förderern: dem Kuratorium der Friedrich Weinhagenstiftung, dem Landschaftsverband Hildesheim, der Bürger-Stiftung-Hildesheim, dem Stadtverkehr Hildesheim (nicht weniger als 10 große Lesezeichen-Banner befinden sich allein an Bushaltstellen) und natürlich der Stadt Hildesheim, welche uns die Mittel für dieses Projekt zur Verfügung gestellt haben. Danken möchte ich hier auch dem Oberbürgermeister Kurt Machens, der als Schirmherr Kulturprojekte wie dieses seit vielen Jahren unterstützt und erheblichen Anteil daran hat, dass sich das Forum-Literatur und das literarische Leben in Hildesheim überhaupt so weit entwickeln konnte.

Ich komme zum Schluss: und am Ende geht es meistens ums Geld! Und damit um Sein oder Nichtsein! Ja, Kultur kostet Geld… aber es ist gut angelegtes Geld. Denn jeder Euro in der Kultur wird hundert- und tausendfach aus- und weitergegeben, transmittiert und wirkt horizontal auf alle gesellschaftlichen Bereiche.

Kultur im eigentlichen ist kein Marketing-Gag, kein Konsumprodukt, nicht käuflich, auch wenn man sie erwirbt, sondern nur partizipierbar… durch die eigene innere Beteiligung, das macht gerade ihren Zauber und ihre Kraft aus. Deshalb appelliere ich hier an die Stadt und ihre Verantwortlichen unsere Arbeit weiterhin zu unterstützen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.